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Irgendwann äußerte  Xandl den Wunsch in die Ukraine zu einem EM Spiel zu reisen. Die Aussuchkriterien für eine mögliche Reise waren, dass wir nach Kiew fahren, dass das Spiel an einem Wochenende ist und sich der Termin nicht mit Italien gegen Spanien kreuzt. Damit war das Spiel Schweden gegen England ausgewählt. Da Flüge überteuert waren und kein Abenteuer bieten, entschlossen wir uns für eine Zugfahrt in die ehemalige Sowjetrepublik. Aus Erfahrung wusste ich um die Schwierigkeit des Kaufes der Zugtickets bestens Bescheid. Dennoch erfragte ich bei der ÖBB-Hotline  den Preis für die Strecke Budapest – Kiew. Abgesehen davon, dass der Preis pro Person und pro Strecke bei 105 Euro lag, war eine Reservierung über die ÖBB gleich überhaupt  nicht möglich. Wer schon mit dem Zug durch Russland oder der Ukraine gereist ist, weiß dass man ohne Reservierung gar nicht in den Fernzug einsteigen darf und auch nicht kann. Ein Anruf bei der ungarischen Staatseisenbahn  brachte uns den Preis für das Ticket inklusive Reservierung für die gesamte Strecke. Dieser lag bei 139 Euro pro Person. Leider sind diese Tickets nicht online buchbar und deswegen mussten Xandl und ich nach Ungarn. 


Wie erwartet gab es in Hegyshalom keine Zugfahrscheine für unser Ziel und so schickte uns die Dame hinter dem Schalter nach Budapest. Aber nicht mit uns! Wir fuhren „nur“ bis Györ. Dort wollte ich schon 2009 die Tickets für Budapest – Donezk kaufen. In Györ wurde der Preis bestätigt, jedoch konnten wir keine Tickets kaufen, da das Verkaufssystem defekt war. In den nächsten Tagen sollten wir wieder kommen. Für diese Auskunft haben  wir 120 km zurückgelegt. 120 km auch für Györ II einige Tage später. Diesmal konnten wir uns die Tickets kaufen, aber nur mit der Reservierung Budapest – Kiew. Die Rückfahrtreservierung musste per Fax über Kiew bestätigt werden und so zahlten wir 122 Euro. Die ausstehende Reservierung sollten wir uns in 3 Tagen abholen. Györ III wurde von Fabi und Xandl in Angriff genommen. Telefonisch wurde ich über die Unfähigkeit der MitarbeiterInnen der ukrainischen Eisenbahn verständigt. Weil es für unsere gewünschte Rückfahrt kein freies Dreierabteil gab, schickten uns die Vollidioten keine Reservierung zurück. Da Xandl auf Györ IV keine Lust hatte, einigten wir uns darauf, dass uns seine Schwester Eva, die aus beruflichen Gründen in Kiev lebt, die Reservierung besorgen darf.

Diese hätte pro Person nur 17 Euro kosten dürfen. Xandl berichtete mir, dass seine Schwester aber 70 Euro für die Rückreise gezahlt hatte. Verwirrung. Durch andere Kontakte in die Ukraine erfuhr ich, dass es sich hier sicher um einen Fahrschein mit Reservierung handelt, da es in der Ukraine nicht möglich ist, eine Reservierung ohne Fahrschein zu bekommen. Umtauschen war natürlich unmöglich und deswegen planten wir weiter. Am Freitag stand das Spiel in Kiew am Programm und siehe da, am Sonntag wäre das Spiel Deutschland gegen Dänemark in Lemberg. Da die Reise nun einen Tag länger dauern würde, holte ich mir noch das Ok der beiden und versuchte Karten für das Spiel in Lemberg zu bekommen. Auf der offiziellen Seite der UEFA bekam ich diese für je 40 Euro.

2 Tage nach dem die erste EM-Reise beendet war, starteten wir am Donnerstag um 14 Uhr das Abenteuer Ukraine. 29 Stunden Anreise warteten auf uns. Im Gepäck waren 2 Paletten Bier, Cola, Whisky und Bacardi. Ja irgendwie muss man ja auch das Cola trinken können.  Weil wir 3 Schüler aus Kostengründen mit der Bahn nicht von Österreich wegfahren wollten, wurden wir in die Grenzstadt Straß-Sommerein chauffiert. Danke an David, unser Taxi. Für ca. 13 Euro mit IC-Zuschlag konnten wir in den Railjet, kommend aus Wien, steigen.  Gemütlich verging die erste Etappe  in die ungarische Hauptstadt. Am Ostbahnhof in Budapest wurde ein Typ aus Siebenbürgen auf uns aufmerksam, weil er dachte, dass Budapest unser Halt ist und wir eine Unterkunft benötigen. Obwohl wir ihm erklärten, dass Kiew unser Ziel sei, suchte er keine andere Kunden für sein Hostel, sondern half uns beim Tragen unserer Verpflegung und bekam danach auch seine erwartete Belohnung in der Form einer Bierdose. Da noch über 25 Stunden Fahrt vor uns waren, machte ich mir Sorgen um unsere feste und flüssige Versorgung. Der Hostel-Typ, dessen Namen ich nicht mehr weiß, brachte mich zu einem Laden, damit unser Vorrat wieder aufgefüllt werden konnte. 

Nach einigen Bieren und fast 2 Stunden Pause konnten wir den Fernzug Budapest – Moskau betreten. Artig half uns der Typ wieder beim Tragen. Als uns die russische Schaffnerin mit unserem Gepäck sah, begrüßte sie uns hysterisch  mit „Njet Alkohol“. Xandl hat nicht wirklich gute Russischkenntnisse und dachte, dass man uns die Mitnahme des Alkohols verbieten wollte. Übersetzt heißt das Gesagt von der lieben Frau Schaffnerin  wohl „Herzlich willkommen im Zug nach Kiew. Wir wünschen Ihnen eine angenehme Reise.“ Ist doch ganz klar, was soll denn sonst „Njet Alkohol“ heißen? Für unseren Gepäcksträger (Wie der im Hostel nur seinen Zustand und die ausgebliebene Kundschaft erklärt hat?) blieb noch eine Dose in Budapest und wir rollten weiter in den Osten. Im 3-er Abteil sorgten wir für Musik und bekamen die Aufmerksamkeit unserer Nachbarn. Nicht dass wir störten, nein, sie waren froh dass wir Leben in den Zug brachten.  So setzte sich ein älterer Mann, dessen Reise nach Luhansk führte, zu uns und versorgte uns mit Wurst, Käse und Gebäck. Und Wodka!  Dafür bekam er Cola-Whisky. Dankend verzichtete er aufs Cola und trank den Whisky pur. Obwohl wir fast kein Wort verstanden, verstanden wir fast alles, was uns dieser Mann sagen wollte. Nach einigen Pokerrunden gesellte ich mich in den Schaffnerraum dazu, in dem das junge Zugteam auch Party feierte. Viel verstanden wir uns nicht, so war ich sehr beunruhigt, als eine Zugbegleiterin ständig auch sich klopfte und dabei „thirty“ sagte.  Ich brauchte einige Zeit, bis ich wusste was sie meinte. Ihre Deutschkenntnisse beschränkten sich auf „1,2 Polizei“. Ausgezuckt ist sie, als ich ihr dieses Lied vorspielte. Auch „Kalinka“ befand sich auf meinem MP3-Player. Weil die Dreißigjährige nun zu tanzen begann, gebe ich ihr den Namen „Kalinka“. Zug Party pur. Und wer hat diese Party wohl unterbrochen? Die Grenzpolizei. Zurück im Abteil sah ich die Spuren der leeren Bierdosen in den Gesichtern der beiden Kinder.

Bei der Ausreise aus der EU gab es überhaupt keine Probleme. Bevor jedoch doch die ukrainischen Beamten in den Zug kamen, durften wir ein Highlight für jeden Eisenbahnfreak beobachten. Das Umstecken der Räder, damit wir ins ehemalige feindliche  Territorium weiterrollen konnten. Niemandem störte es, dass wir aus dem Zug sprangen und den Arbeitern aus nächster Nähe zusahen. Kurz bevor es weiterging, klettern wir in den Wagon und wurden wenig später von den ukrainischen Beamten zur Herausgabe unserer Pässe gebeten. Weil unser Neuling es nicht wollte, dass die Beamten mit den Dokumenten den Zug verlassen, wurde es lauter. Nur eine Frau störte diese Aktion und beschwerte sich deswegen bei der Polizei. Als die Polizei wieder da war, beruhigte sich die Situation. Fast, denn die Alte schrie durch den ganzen Zug, lauter als wir es je getan hatten. Die Polizei stellte uns sogar einen Dolmetscher zur Verfügung, der zwar nur gebrochen Englisch sprach und uns nach unserem Reiseziel fragte und dabei immer wieder von dieser Alten unterbrochen wurde. Wir erklärten, dass wir auf dem Weg nach Kiew zum Spiel waren, aber unsere Tickets bereits seit Wochen in der Millionenstadt am Dnepr in Sicherheit lagen.  Wir mussten versprechen, dass wir keinen Wirbel mehr machen. Ich stimmte dem Abkommen unter der Bedienung zu, dass die Alte nun auch endlich ihre widerliche Klappe hält.  So eine hohe Strafen hatten wir uns bei Gott, ah beim Teufel nicht verdient.  Die Polizisten verabschiedeten sich ohne Schmiergeld zu verlangen und die Schaffnerin warf noch einen Blick in unser Abteil. Sie fand 4 Bierdosen, die sie gleich mitnahm. Traurig brachte ich den Kindern bei, dass wir diese Dosen nie wieder sehen würden. War aber auch egal, denn wir fanden noch einige Dosen im Abteil.

Da bei dieser langen Fahrt die Zeit überhaupt keine Rolle spielt, weiß ich nicht mehr, wann Tagwache war. Stunden später in zumindest fast nüchternen Zustand, begrüßte uns die Schaffnerin mit einem Lächeln, verschwand jedoch sofort in ihrer Kabine. Kurz darauf passiert Unerwartetes. Sie kam mit unserem Bier zurück und als sie mir die 4 Dosen in die Hand drückte, merkte ich, dass diese die Nacht im Kühlschrank verbracht hatten. Das nenne ich Service. Obwohl unser Nachbar den vorherigen Abend mit uns genoss, hatte er überhaupt keine Kopfschmerzen, was einige von uns dreien nicht behaupten konnten.  Die Sonne brachte ihre volle Stärke in den Zug,  die nichtvorhandene Klimaanlage dazu, sorgten für unheimlich hohen Temperaturen. Leichte Abkühlung brachte wenig Wäsche am Körper und die Zugluft.  Beim nächsten Halt durften die Babuschkas ihren Umsatz mit uns steigern. Zigaretten (eine Packung für ca. 2 Euro, die einen Einkaufspreis von keine 0,70 Euro hat), Teigtascherln gefüllt mit Kraut und Kartoffeln und einiges an Bier kauften wir den Babuschaks ab. Mit den Verkauf dieser Waren, die teilweise selbst zubereitet wurden (trifft auf die Zigaretten nicht zu), finanzieren sich diese Frauen das Überleben im hohen Alter.   Im Zug dürfte es sich schon herumgesprochen haben, dass wir Fußballfans aus Österreich sind und so starteten einige Leute Gespräche mit uns. Eine Reisende erklärte uns mit Händen, Füßen und einigen Wörtern, dass sie deutsche Vorfahren hat und einige Wörter von uns auch verstand. Als sie ein mir unbekanntes deutsches Kinderlied fehlerfrei sang, rollten Freudentränen über ihr lächelndes Gesicht.  Je länger wir im Zug waren, je mehr machten wir uns Gedanken, ob der Zug in der Zeit ist und wir es in 110 Minuten schaffen würden, das Gepäck vom Hauptbahnhof zur Unterkunft zu bringen und dann pünktlich im Stadion zu sein. Wir bekamen die Nachricht über die Absage vom Spiel Ukraine gegen Frankreich in Donzek aus Österreich und hatten noch keine Ahnung, dass sich das positiv auf unserem Zeitplan auswirken würde. 

Voller Freude erreichten wir pünktlich die ukrainische Hauptstadt. Eva, die Schwester vom Xandl, erwartete uns am Bahnsteig. Auch Eva war voller Freude als sie uns empfing, nicht einmal meine Entschuldigung wegen dem Vorfall mit und rund um Kharkiv brachten eine Verschlechterung der Stimmung. Im Gegenteil, sie ging mit uns zum nächsten Verkaufsstand und gab eine Runde Bier aus. Ihre Nettigkeit hatte noch kein Ende. Nicht nur dass sie uns nun die Eintrittskarten gab, auf jeder Karte hat sie ihre Adresse mit der U-Bahn-Station aufgeschrieben, damit wir am nächsten Morgen in die Unterkunft finden könnten. Und weil Eva wirklich an alles gedacht hat, bekam jeder von uns noch Begrüßungsgeld in Form der ukrainischen Währung Griwna. Auch die U-Bahn-Chips hatte sie uns schon in die Hand gedrückt und so konnten wir zu ihrer Wohnung fahren. Weil die Fan Zone nur 20 Meter von der Wohnung entfernt war, mussten wir diese vom Balkon genau betrachten. Eva erklärte uns noch den Weg zum Stadion und wir waren schon wieder aus der Wohnung. Die Begrüßung hat länger gedauert als geplant und deswegen waren wir erst  um 21.30 Ortszeit, also 15 Minuten vor Spielbeginn, im größten Stadion der EM 2012.

Im Stadion erfuhren wir, dass unser Spiel um 15 Minuten später angepfiffen werden soll, da in Donezk doch gespielt wurde. Die Zeit reichte dennoch nicht aus, unser Transparent zu platzieren. Im Stadion waren die Skandinavier mit ca. 20.000 Leuten (ca. 5.000 Schweden dazu sollen sich auf der Fan Meile aufgehalten haben) den Engländern weit überlegen. Dass England als Favorit ins Spiel ging, war klar. Bedenken gab uns die Leistung der Schweden, die ja ein Gegner in der WM-Gruppe unserer Rot-Weiß-Roten Kicker sind. Sollten die Skandinavier zweimal solche Leistung gegen uns erbringen,  wird es schwer, dass wir einen Punkt gegen Ibrahimovic und Co ergattern können. England konnte in der 23. Minute das einzige Tor im ersten Durchgang erzielen.  Die Fans von der Insel feierten nicht nur im Sektor, sondern nutzen auch die Laufbahn als Tanzfläche.  Es lief friedlich ab. In der Pause versuchte ich erneut unser Transparent aufzuhängen.  Wahnsinn wie schnell die Fans aus Deutschland waren und das Aufhängen des Transparentes erschwerten. Die Ordner der UEFA setzten aber ein deutliches Zeichen und rissen die Transparente runter, die auf der Gegengerade hingen. Innerhalb von 10 Minuten in der 2. Halbzeit zeigten die Schweden dem selbsternannten Mutterland des Fußballs (Anmerkung Xandl: „Gusch!!!“), dass das Spiel noch nicht vorbei ist und so wurde das Spiel gedreht und nach einer Stunde stand es 2-1 für die Schweden. Für uns wurde immer mehr klar, dass in der WM-Qualifikationsgruppe C Schweden der erste Verfolger von Deutschland sein wird. Die Führung hielt jedoch nur 4 Minuten, da Walcott, der erst 2 Minuten am Feld war, den Ausgleich durch einen Weitschuss schaffte. Für die Schweden kam es aber noch dicker, da Welbeck  in der 78. Minute ein wunderschönes Tor zum 3-2 Endstand für England erzielte. Natürlich wurde von den Fans auch dieses Tor auf der Laufbahn gefeiert. Zum Feiern gab es für die Schweden nach diesem 2. Spieltag nichts, da sie mit null Punkten dastanden und die Heimreise planen durften. Der Sieg über Frankreich in Kiew half auch nichts und so wurden die Schweden letzter. „Football is coming home“ sangen die Engländer feiernd, während 3 Deutsche im sicheren Abstand entfernt waren und „gegen Deutschland, habt ihr keine Chance“, konterten.

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Damit wir uns nicht mit der Masse aus dem Stadion raus drängen mussten, warteten wir noch eine Weile im Stadion, ehe wir eine U-Bahnstation suchten.  Die zu finden war aber nicht so leicht und deswegen fragte Xandl  eine Gruppe von „Freund und Helfer“ nach dem Weg. Hilfsbereit antworteten gleich 2 Polizisten mit Handzeichen. Ich konnte nur mehr den Kopf schütteln, als ich diese Handzeichen sah, da ein Polizist nach rechts und der andere nach links zeigte. Verwirrt schauten sich die beiden Polizisten an und wechselten jeweils ihre Meinungen. Auf eigener Faust suchten wir die nächste U-Bahnstation und erreichten zur Überraschung sogar die Innenstadt. Eva wartete schon auf uns, um uns das Nachtleben von Kiew zu zeigen.  Und dieses hatte es voll in sich! Wodka mit Oliven und Essiggurkerln,  sowie Bier sorgten für extrem tolle Stimmung mit schwedischen Fußballfans und den Einheimischen.  Die ukrainische Begleitung von Eva stürzte schon früh ab und für uns endete die Nacht, als die Sonne sich über dem Stadion von Dynamo Kiew  erhob.

Am Samstagmorgen merkte ich den Nachteil, wenn man neben der Fan Zone residiert. Laute Musik und sonstiger Wirbel kamen durch die offenen Fenster, die ich nervös verschloss.  Lange dauerte der restliche  Schlaf nicht mehr, da uns Eva früh weckte, damit wir die Stadt auch bei Tageslicht sehen konnten.  Ein Blick auf die Uhr machte mir klar, warum wir auf mussten und warum die Fan Meile wirbelte. Es war bereits 16 Uhr, als wir unser Frühstück einnahmen, um danach fit durch Kiew zu spazieren. Obwohl Eva es sich vorgenommen hat uns Kiew zu zeigen, musste sie auf Grund der letzten Nacht (oder bereitete sie sich schon auf die nächste Nacht vor?)  absagen. Ich musste als Ersatzreiseführer einspringen und zeigte den Kindern den Maidan Nesaleshnosti (Platz der Unabhängigkeit), das Zelt Dorf in dem für die Freilassung von Julia Timoschenko durchgehend protestiert wird,   das Stadion von Dynamo Kiev, den Dnjepr (drittlängste Fluss Europas, der kurz nach seiner Quelle 30 km an Tschernobyl vorbei strömt und danach Kiev erreicht) und die  St. Andreas Kirche. Von dieser Kirche führt eine Straße bergab zum Dnjepr, die einen Markt für Touristen beheimatet. Natürlich sind Touri-Märkte nicht wirklich was Besonderes, aber auf diesem Markt bekommt man „Waren“, die man in Westeuropa nicht so einfach bekommt. Stalin Leibchen, Hitler Briefmarken, Lenin Statuen,  SS-Essbesteck, Abzeichen der SSSR  und des dritten Reichs sind nur einige dieser Produkte. Abnutzungen lassen vermuten, dass einige Abzeichen echt sind. Lange war dieser Nachmittag nicht und wir hofften dass Eva schon wieder fit war. Als Hilfe für den anstehenden Abend hat sie nun Dima zur Seite. Dima hatte uns die Zugfahrscheine für die Rückfahrt besorgt, aber dass es sich hier um eine Doppelbuchung gehandelt hat, wissen wir ja schon.

    

Zuerst ging es zum Abendessen in ein kommunistisch angehauchtes Restaurant, dessen Keller an ein Museum erinnert. Da wir mit einigen Russen das Spiel auf einer Leinwand verfolgen wollten, entschieden wir uns für den Gastgarten. Menü war Borsch, Chicken Kiew und Bier. Nicht dass uns die „давайте, давайте“ Rufe der Fans störten, aber die kickenden Russen in Warschau konnten diese Laute nicht
wahrnehmen und verloren unerwartet gegen Griechenland und besiegelten somit ihr Ende bei der EM 2012. Die zweite Nacht in Kiew stand an, welche meine Kinder ohne Schlaf überstehen wollten, da um 10 Uhr unser Zug nach Lemberg aufbrechen würde, während ich mich auf eine kurze Nacht einstellte.  Zum Aufwärmen ging es in eine Bar, in der nur 2 Runden genossen wurden, ehe wir in der „Arena City“

einen Klub besuchen wollten, jedoch wegen New Balance abgelehnt wurden. Auch egal, denn daneben war schon die nächste Disco in der die Russen ihr Ausscheiden feierten. Wie schon am Vorabend, ist uns wieder aufgefallen, dass sich bei jeder Bestellung der Preis änderte. Je näher unsere Abfahrtszeit rückte,  je toller wurde der Abend. Einzig störte uns der frühe Sonnenaufgang, der von uns aber mit dem Herunterlassen der Jalousien  beseitigt wurde. Während Xandl den ukrainischen Gästen den DJ machte, rollte ein Kellner die Jalousien hoch und so wurden wir vom Tageslicht verjagt. „Der letzte macht das Licht aus“, aber wir konnten den Schalter nicht finden und marschierten, oder torkelten, oder sonst was, zur Wohnung. Dima war so nett und zeigte uns den Weg, da Eva die komplette Nacht nicht überstand. Erster Halt war eine BILLA-Filiale, die kundenfreundliche Öffnungszeiten von 04.00 – 03.00 bietet.  Da Fabian sich nach sportlicher Aktivität sehnte, wollte er im Geschäft einige Liegestütze stemmen. Er hat wohl vergessen, dass man dafür nicht auf dem Rücken liegen sollte. Da Schlafen keinen Sinn mehr machte, deckten wir uns mit Krimsekt und Sonstiges für eine Hausparty ein.  Auf dem weiten Weg zu unserer Unterkunft, machte ich einheimische Bekanntschaft und somit endete und begann der Tag für mich auf der Fan Meile. 

Die Sonnenstrahlen um 9 Uhr Morgens waren echt widerlich. Kurz danach erreichte ich die Wohnung, in der die beiden Kinder schliefen. Von wegen „wir machen durch“! Ich konnte dem Teufel einfach nicht widerstehen und borgte mir einen Nagellack von Eva aus. 40 Nägeln zu streichen ist eine Herausforderung für sich, überhaupt wenn man so etwas davor nie gemacht hat. Die Zeit drängte und ich wollte die beiden aufwecken, jedoch erklärte mir Eva, dass ich 10 Minuten warten muss, bis die Farbe hält. Ja, wer „schlaft“, wird bestraft. Es war nicht leicht die beiden zu wecken. Eva kam die super Idee von einem Glas Wasser in den Sinn. Ach, ich freute mich schon auf die Bettdusche gegen die beiden Möchtegern „wir-halten-durch“.  Das Wasser wurde aber nur als Getränk angeboten. Nach dem wir uns bei Eva für die wunderbare Gastfreundschaftlichkeit bedankten, nahmen wir den Kampf auf, den Bahnhof zu finden. Ständiges Fragen in der U-Bahn „вокзал“ unterhielt die Passagiere und die wiederum erklärten uns den Weg zum Hauptbahnhof. Nur noch wenige Augenblicke bis unser Zug losrollte. Wir waren schon am richtigen Bahnsteig, jedoch darf man immer nur im zugeordneten Wagon einsteigen. Wird schon seinen Sinn haben, aber eine Kartenkontrolleurin erlaubte uns das Einsteigen in ihren Wagon und zeigte uns die Richtung, in der wir gehen sollen. 

Kurz zusammengefasst: wir hatten eine harte Nacht hinter uns, waren alle nicht Autofahrtauglich, wollten nur schlafen und befanden  uns im Fernzug Moskau – Budapest. Als ich einen anderen Wagon betrat, traute ich meinen Augen nicht! Er stand vor mir! Einer der Zugbegleiter der Hinfahrt. Er und auch ich machten kehrt und wollten uns aus dem Wege gehen. Da wir aber von einer anderen Schaffnerin (jeder Wagon hat jeweils 2 SchaffnerInnen) weitergedrängt wurden, musste ich weitergehen. Plötzlich stand Kalinka, die Schaffnerin  von der Hinfahrt, mit offenen Armen  vor mir und begrüßte mich sogar mit dem Vornamen und Bussi links, Bussi rechts. So wird man weder bei der DB noch bei den ÖBB begrüßt. Die Party von der Hinfahrt konnten wir nicht weiter feiern, weil es für uns nun endlich ins Traumland ging. Das war auch der Grund, warum die 9 Stunden zum Spiel Deutschland gegen Dänemark  im Schlaf vergingen. 

Halb Fit erreichten wir die Stadt mit dem kleinsten EM –Stadion. Wieder hatten wir Zeitstress. Planmäßig hätten wir 63 Minuten bis zum Spielbeginn, leider kam unser Zug aber mit fast 15 Minuten zu spät an.  Durch gute Vorplanung und Zusammenarbeit mit dem Hostel, wurden wir am Bahnhof freundlich in Empfang genommen, damit der Bote wie ausgemacht unser Gepäck abnimmt und dieses in die Unterkunft bringt. Für diesen Service mussten wir insgesamt 20 Euro zahlen und wurde ohne unser Verlangen auf eine Taxifahrt zum Stadion erweitert. Das war uns Recht, denn der Weg zur Arena betrug fast 12 km und wir mussten noch unsere Eintrittskarten für das Spiel holen.  Weil im Umfeld von der Spielstätte ein Verkehrschaos herrschte, entschlossen wir uns einige hundert Meter zu gehen.  Wie schon in Polen, konnten wir problemlos die bestellten Karten abholen und über 5 Minuten vor Spielbeginn waren wir im Stadion. 

 

Unsere Plätze waren im Sektor der Deutschen. Die Deutschen waren den Dänen quantitativ überlegen. Auch bei den Transparenten hatte Deutschland die Nase vorn. Nicht nur dass fast das ganze Stadion mit diesen Transparenten geschmückt war,  einige dieser Transparente hingen auch im Sektor der Dänen und so manches Transparent hatten wir schon 2 Tage davor in Kiew gesehen. Für Deutschland wäre sogar eine Niederlage kein Grund gewesen, den Gruppendurchgang nicht als Sieger zu bestehen. Trotzdem spielten sie voll auf und konnten in der 19. Minute durch Podolski in Führung gehen.  Immer wieder hallte es „Mit Sombrero auf und Doc Martens an…“ durch das Stadion. Die Musikwünsche von Xandl („Bin ich nur glücklich wenn es schmerzt?“ bzw. „Nur wenn ich besoffen bin“) wurden nicht erfüllt. Vielleicht lag es daran, dass nur 5 Minuten später Krohn-Dehli das 1-1 machte. Diesmal gab es keine Unterhosenwerbung, wie im Spiel davor von Bendtner. Würde sich Deutschland mit diesem Remis zufrieden geben? Lange sah es so aus, als ob dieses Spiel keinen Sieger bringen würde. 10 Minuten vor Schluss macht Lars Bender von Bayer Leverkusen das 2-1. Bei diesem Spielstand blieb es auch. Deutschland war, wie vor dieser Runde schon feststand, weiter, Dänemark war als 3. weg und Holland durfte ohne Punkte die Heimreise antreten. Wie schon gewohnt, wollten wir nicht immer die ersten sein, die das Stadion verlassen. 

Xandl wollte noch was zum Beißen kaufen und suchte die Kantinen nach Essen ab. Eine hatte noch einige Sandwiches von denen Xandl einen haben wollte. Das Gespräch: Xandl „One Sandwich please“, die übernette Verkäuferin „Which one?“, Xandl „anyone“. Die Verkäuferin hätte einfach irgendein Brötchen hergeben können und den Dialog somit beenden können. Wenn man tagelang in der Ukraine unterwegs ist, ist es einem egal, ob im Essen ein Hendl, ein Schaf, ein Schwein, ein Hund oder eine Katze ist. Hauptsache tot und durch. Die hilfsbereite Verkäuferin prahlte mit ihren Englischkenntnissen weiter „Well! Look, we have chicken.“ Da wurde sie von Xandl unterbrochen „Yes, chicken!“ Sie drehte sich um und suchte ein Hendl Sandwich. Mit einem Grinsen im Gesicht kam sie zurück und sagte „Oh, sorry! We have no chicken“.  Es folgte ein Faustschlag gegen die Kantine, gefolgt von einem „Wüst du uns vaoschen? Gib irgendan Sandwich her“. Das verstand sie, Ware und Geld wechselten den Besitzer  und alle waren zufrieden.  Nun wollten wir wissen, wie wir die 10 Kilometer in die Stadt schaffen sollen. Außer völlig überlastete Busse und Taxis, die ca. 30 Euro verlangten, gab es nur mehr den Fußweg durch dunkle Vorstadtstraßen. Wir drängten uns in einen Marschrutka und staunten über den Preis. Satte 20 Cent nahm die Busmanagerin (klingt ja besser als Busbeifahrerin) beim Einsteigen ab. Hätte sie das 10-fache verlangt, hätten sogar die Deutschen noch „spasibo“ gesagt. Nicht jeder hatte Platz, aber die Tür ging zu und wir fuhren durch einige Schlaglöcher und über  Straßen aus Pflastersteinen in die Stadt. Ziel war unser Hostel, welches wir nicht lange suchen mussten. 

Wie ausgemacht wurde unser schweres Gepäck im 2. Stock in Schränken versperrt. Aber für 35 Euro muss so etwas drinnen sein. Geteilt wurde unser Zimmer mit Fans aus Deutschland und mit einem begannen wir ein Gespräch. Ziele, Wege, Kosten, Erfahrungen und mehr waren Thema. Dieser Fan aus Deutschland hat uns erzählt, dass er aus Berlin angereist war und einiges mit seinem Zugticket erlebte. „Ich habe einen Bericht von Rapid Wien Fans gelesen, die mal nach Donezk zu einem Spiel gefahren sind und einige Probleme hatte.“ Ich erklärte dem Deutschen, dass meine damaligen Wegbegleiter und ich keine Rapid Fans sind, aber schön, dass er sich wenigstens die Eckdaten und Donezk gemerkt hat. Im Hostel war ein Werbezettel für Taxis angeklebt. Für eine 550 km Fahrt von Lemberg nach Kiew kostet das Taxi für eine Person ca. 60 Euro.  Für uns ging es nach einer Dusche in die Innenstadt, die von den feiernden Fans aus Deutschland eingenommen war. Es war nach Mitternacht, aus vielen Ecken hallte es immer wieder „Deutschland, Deutschland“, auch die dritte Strophe des Deutschlandlieds wurde voller Stolz gesungen. Das Hammerlied war aber „Que Sera Sera, die Deutschen sind wieder da, besoffen wie jedes Jahr, Que Sera Sera“! Für uns ging es in eine Pizzeria. Wieder sorgte die Preisgestaltung für Verwirrung bei uns. Ein Fan aus Deutschland kaufte sich eine 0,7 Liter Wodkaflasche und zahlte fast 3 Euro dafür. Meine Pizza und ein Bier kosteten 4,50 Euro, was aber nicht zum Verhältnis zu den Bestellungen von Fabi und Xandl stand, da die beiden insgesamt  für 2 Pizzas (lt. Duden muss man nicht mehr Pizzen schreiben) und 2 Bier ca. 5,50 Euro zahlten. Während der Mahlzeit wurden wir in dieser kühlen Spätfrühlingsnacht mit Schlachtgesängen der Deutschen toll unterhalten. Bei „Mit Sombrero auf und Doc Martens an…“ legten auch wir das Besteck zur Seite und sangen mit. Die Deutschen wollten einfach nicht schlafen gehen und feierten was das Zeug hielt. Von den Preisen her war es ja auch kein Problem. Auch sonst gab es in dieser Nacht überhaupt keine Probleme. 

Am Montag gönnten wir uns einen Langschläfertag, ehe wir den Tag am Nachmittag mit einem Spaziergang durch Lemberg starteten. Da wir ja noch keine Reservierung für die Heimfahrt hatten, mussten wir noch zum Bahnhof, damit wir uns diese holen konnten. Mit der Straßenbahn nahmen wir diesen Weg auf uns. Wir ersparten uns die 15 Cent (bzw. 8 Cent für Studenten!) für einen Fahrschein. Wie das Schicksal so will, wurde eine Fahrkartenkontrolle gestartet. Gekonnt zuckte ich die Eintrittskarte vom gestrigen Spiel und bestand darauf, dass dieses als Fahrschein zählte. Keine Ahnung was der Schwarzkappler in Zivil alles sagte. Als man eine einheimische Frau ohne Fahrschein antraf, verlegte sich das Theater auf diese und uns wurde gedeutet, dass wir uns nun einen Fahrschein kaufen sollten. Die 2 Sherifs verließen  mit dieser Frau die Straßenbahn und wir zahlten weder die 15 Cent für den Fahrschein, noch die 3 Euro für die Strafe. Am Bahnhof mussten wir den richtigen Schalter für unsere Reservierungen finden. Das ist in der Ukraine oft nicht so einfach, denn z.B.  Fahrscheine von diesem Land nach Moskau gibt es nur beim Schalter „Inlandsverbindungen“. Das sollte seit mehr als 2 Jahrzehnten nicht mehr sein. Beim richtigen Schalter fragten wir, ob es noch freie Plätze nach Budapest gab. Ohne dass diese Dame wusste wann wir fahren wollten, schüttelte sie den Kopf und sagte „njet“. Da sie weder unser Abfahrtsdatum wusste, noch im Computer schaute, konnte ich diese Aussage nicht ernst nehmen. Ich machte Druck und sie schrieb mir auf einen Zettel „17.00 KACCA 3“. Fast 2 Stunden hatten wir nun Wartezeit, in der wir nicht so genau wussten, was wir machen sollten. Schon gar nicht wussten wir, warum wir erst um 17 Uhr diese Reservierungen abholen konnten. Da die Sonne enorme Kraft bewies, machten wir es einigen Einheimischen nach und kühlten uns im Zierbrunnen im Park vor dem Bahnhof ab. Ein Nickerchen konnten wir davor nicht lange halten, da uns eine Bahnbedienstete weckte und uns wegschicken wollte. Sie hatte keinen Erfolg und holte die Polizei zur Hilfe. Ein Polizist erklärte uns mit seinen Händen friedlich, dass wir hier nicht liegen dürfen und einige Meter weiter rüber rücken sollten. Gefordert, getan. Wir sind aber nicht zum in-der-Sonne-liegen geboren und deswegen holten wir uns das nächste Bier. 

Kurz nach 17 Uhr machten wir uns zum Schalter 3 auf. Wir waren aber nicht alleine, denn mehrere junge Leute mit Tramperrucksäcken warteten schon länger. Es waren 3 Gruppen mit jeweils 3 bis 7 Leute die alle nach Budapest wollten. Ungutes Gefühl kam auf, weil wir nicht wussten, ob wir wie Plan B sagte, nach Hause kommen konnten. „Merkts eich de Gsichta vo de 3“, warum diese Aussage bei uns kursierte, ist doch klar. Wir waren dran und schau, dieselbe Dame wie zuvor. Ich gab ihr die 3 Tickets und sagte ihr dass wir 3 Reservierungen benötigen und deutete ihr dabei, dass sie uns den Preis nennen sollte. 510 Griwna schrieb sie uns auf einen Zettel.  Wir konnten nicht erfragen ob es überhaupt Plätze gab und sie begann mit ihrer umständlichen Arbeit. Es dauerte Minuten bis sie unseren Wunsch erfüllt hatte. Preis war aber nun 1.650 Griwna. Sofort wusste ich warum das so war, denn die Dame, die unsere Tickets hatte, hat uns nicht nur die fehlende Reservierung gegeben, sondern gleich neue Tickets ausgedruckt. Was hat sie sich dabei gedacht, als sie unsere Tickets am Tisch liegen hatte und uns neue verkaufen wollte?  Also stornierte sie gleich diese Fehlbuchung und für ca. 17 Euro bekamen wir die gewünschten Reservierungen.   Es war nicht einfach! 

Zum Abendessen ging es wieder in die Stadt zurück. Fabi und Xandl bestellten sich dasselbe Menü wie in der Spätnacht zuvor, zahlten aber diesmal einen anderen Betrag. Vom Hostel holten wir noch unser Gepäck, bei einem kleinen Geschäft kauften wir uns noch Verpflegung  für die Heimfahrt und zeigten einigen Deutschen den Weg zum Bahnhof. Es waren noch immer sehr viele von denen in Lemberg und deswegen hörte man auch Tagsüber viele deutsche Wörter und sah bei einigen Fenstern die deutsche Fahne wehen. Die Raucher versorgten sich am Bahnhof noch mit Zigaretten, als mich eine Berlinerin fragte „kann man hier Zigaretten kaufen?“. Ich antwortete ihr, dass  sie hier aber 1,80 Euro kosten. „Ne, die sind mir zu teuer“, erklärte sie und verschwand. „In Kreuzberg bekommst du sie sicher nicht billiger“, schrie ich ihr noch hinterher. Ich verstand ihre Meinung, da es Markenzigaretten vor dem Bahnhof für 80 Cent gab. Noch ein weiterer Preisvergleich: in der Ukraine kostet 1 Liter Diesel ca. 95 Cent.  Am Bahnsteig konnten wir erahnen, dass dieser Zug in den Westen voll sein wird. Wir 3 waren auf 2 Abteilen aufgeteilt und deswegen musste ich unserem Zimmergenossen fragen, ob er seinen Platz tauschen könnte. Der Typ Mitte 20, der einen serbischen Pass hatte, in Moskau aufgewachsen war , dessen Mutter aus dem Vietnam kam und der Anton hieß, stimmte unter einer Bedingung zu. Er wollte mit uns trinken. Wir sind freundlich und deswegen stimmten wir zu. Bei der Abfahrt waren wir nur mehr 18 Stunden von unserer Heimat entfernt. Das war überhaupt kein Problem, denn der Zug enttarnte sich bald als Partyzug. Gäste dieser Party waren Fußballfans aus Schweden, Deutschland, Dänemark und eben aus Österreich. Der betriebswirtschaftliche Sinn von Angebot und Nachfragte wirkte beim Zugpersonal und so kostete eine Bierdose stolze 3 Euro. Für Österreich ist das natürlich billig, aber so viel hatten wir in den letzten Tagen nie für ein Bier zahlen müssen. Da das Zugpersonal ordentlich Gewinn machte, setzten diese das gesetzliche Alkoholverbot in Zügen vorrübergehend aus. Das Verlassen der Ukraine verlief ohne Probleme und das Räderwechseln bekamen wir gar nicht mehr so mit. Anton hat sein Versprechen nicht gehalten und blieb bei uns im Abteil. Da einer von uns trotz Abmachung ein schlechtes Gewissen gegenüber Anton hatte, durfte Anton auf der Baracke schlafen, während einer von uns  am selbst gepolsterten Boden lag. Am Boden ging es sich aber nicht so perfekt aus und deswegen lag ein Kopf außerhalb der Kabine am Gang. Geweckt wurden wir von den ungarischen Behörden. Zuerst sammelte irgendwer die Pässe ein. Und mit irgendwer, meine ich auch irgendwer, denn keiner von uns war im Stande zu registrieren, ob das wirklich ein Beamter war. Der Schlaf war uns wichtiger. Es kann aber kein Mafioso oder Verbrecher gewesen sein, denn wir bekamen die Papiere zurück. 

Danach war der Zoll dran, der in jedem Abteil und so auch bei uns fragte „Cigaretts? Alcohol?“. Erst wollte ich mir ein Bier bestellen, sagte dann aber total verschlafen „yesterday“. Lachend ging er weiter. Kurz nach Mittag erreichten wir wieder Budapest.  Viel Zeit zum Umsteigen hatten wir nicht und die Tickets mussten wir auch noch kaufen. Weil wir Österreicher sind, suchten wir den Schalter für Internationale Tickets, bis Fabi merkte, dass wir nur eine Inlandszugfahrt bis zur Grenze vor uns hatten. Preise wie beim Hinfahren, nur dass eine Reservierung in der Hektik verloren ging. Da diese nur 1,50 Euro kostete, war das aber auch egal. Im Zug nach Wien waren keine Sitzplätze mehr frei und so mussten wir irgendwie am Gang verweilen, bis ein nervöser  Schaffner mich aufforderte ihm zu begleiten. Er führte mich zu seiner Kollegin, die die fehlende Reservierung in ihren Händen hatte. In Hegyshalom wurden wir nach einigen Verhandlungen von Pascal und Felix abgeholt und kurz nach 15 Uhr an diesem Dienstag waren wir wieder zu Hause. 

Nach 6 Tagen, fast 3.000 km, ca. 60 Stunden im Zug, 2 Spiele, jede Menge Abenteuer und Spaß, waren wir froh, dass auch diese Reise ein positives Ende fand.