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Dnjepr Dnjepropetrovsk : Austria Wien 1-0
25.11.2004
Bericht von Martin K.!
Nachdem wir Legia Warschau mit großer Mühe aus dem Europacup
geworfen hatten, wartete der gesamte Austria-Anhang gespannt auf die
Auslosung für die Gruppenphase. Mit den beiden Heimspielen gegen
Club Brügge und Real Saragossa sowie den beiden schweren
Auswärtsmatches in Dnjepropetrovsk und Utrecht hat die Austria in
der sportlich ziemlich gleichwertigen Gruppe sicher Chancen den
Aufstieg in die nächste Uefa-Cup Runde zu schaffen.
Nachdem wir in den letzten beiden Jahren bereits zwei mal durch die
Ukraine bis nach Donezk und Mariupol fuhren und zum Spaß sagten,
so eine erschwerliche und abenteuerliche Fahrt durch den tiefen Osten
gehört eigentlich ins Fernsehen, telefonierten wir kurzerhand mit
der „Schauplatz“-Redaktion des ORF, und diese waren sofort
bereit, uns mit einem Kamerateam zu begleiten.
Durch die unsichere politische Situation nach den manipulierten
Präsidentenwahlen und den überraschend starken Wintereinbruch
in der Ukraine sollten wir in den nächsten Tagen noch Einiges
erleben.
Hätten wir nicht zwischen Budapest und Miskolc eine
„Autostopperin“, die (der) sich dann beim Aussteigen im
starken Kameralicht eindeutig als „Geschminkter“
herausstellte, mitgenommen, wäre die Fahrt durch Ungarn wohl
ziemlich fad ausgefallen. So hatten wir unseren Spaß mit Virus,
der unter bereits schwerem Alkohol-Einfluss tatsächlich bis zum
Schluss der Meinung war, der Autostopper wäre eine junge, feurige
Pusta-Braut.
Um Mitternacht erreichten wir bei starkem Schneefall die Ukraine. Nach
einem Gespräch mit einem österreichischen Lastwagenfahrer an
der Grenze wurde uns klar, was uns auf den tief winterlichen
Straßen erwarten wird. Schneepflüge oder Fahrzeuge der
Straßenmeisterei gibt es dort so gut wie gar nicht und wir
überlegten uns gleich an der Grenze unsere Schneeketten zu
montieren. Nur langsam ging es auf der ungeräumte Straße
Richtung Muchachevo voran. Mehr als 30 bis 40 km in der Stunde waren
beim besten Willen nicht zu schaffen. Durch den Frost und den Schnee
hatten wir gegen 3 Uhr früh mitten in den Karpaten das erste
große Problem, das Gasseil war bei Vollgas eingefroren. Die
ersten Reparaturversuche blieben erfolglos und so drifteten wir mit
Vollgas und viel Kupplungsschleifen durch die tief verschneite Nacht.
Plötzlich ein lauter Krach vom Getriebe und der alte Bus
lässt sich nicht mehr schalten. Verzweiflung beim ORF-Team, aber
unsere Ostblock erprobte Truppe ist selbst durch solche Probleme nicht
zu stoppen. Mit vereinten Kräften gelingt es uns wieder, unseren
Bus halbwegs fahrtauglich zu machen und wir schafften es zum Bahnhof in
die nächst größere Stadt nach Lwov. (Unter den Namen
Lemberg war diese Stadt eine der größten Städte im
damaligen K+K Reich Österreich-Ungarn). An ein Weiterfahren mit
unserem desolaten Bus bei diesen Witterungsbedingungen ergab keinen
Sinn, wenn man bedenkt dass wir noch ca. 1000 km bis Dnjepropetrovsk zu
fahren hatten, und wir für die ersten 250 km in der Ukraine an die
8 Stunden gebraucht hatten.
Die Zugfahrt von Lemberg nach Dnjepropetrovsk erwies sich als
äußerst günstig. Mit nicht einmal 8 €/Person ging
es mit der Bahn 1. Klasse recht flott durch unsere 2. ukrainische
Nacht. Einige von uns bekommen vermutlich noch heute Kopfweh wenn sie
an das Wodka-Gelage mit den ukrainischen Polizisten, Schaffnern und
Zugbegleiterinnen zurückdenken.
Nachdem wir am Matchtag gegen Mittag nach knapp 20-stündiger
Zugfahrt die Stahlmetropole Dnjepropetrovsk erreichten, versuchten wir
am Bahnhof sofort die Rückfahrt zu organisieren. Trotz 18
geöffneten Schaltern konnten wir keinen einzigen Beamten mit
Deutsch- oder Englischkenntnissen auftreiben. Da unsere Russisch- und
Ukrainischkenntnisse auch nur zum Wodka bestellen reichten, wurde es
äußerst schwer, mit den durchaus hilfreichen Beamten ins
Gespräch zu kommen. Endlich hatten wir den richtigen Zug, aber es
gab dabei zwei große Probleme. Erstens gab es nicht so wie bei
der Hinfahrt eine Direktverbindung und zweitens fuhr der Zug bereits
genau eine Stunde nach Matchende ab.
Aber noch war es nicht so weit, und so ging es mit dem Taxi um 2 USD in
die Innenstadt zum Spielerhotel. Nachdem einer von uns (aus
Datenschutzgründen wir kein Name genannt) genau vor der Rezeption
des Spielerhotels seine Notdurft verrichten musste, marschierten
innerhalb kürzester Zeit einige aufgeblasene Security-Leute auf
und wir mussten das geplante Bier in der Hotelbar kurzfristig absagen.
Darauf ging es zu Fuß durch die von politischen Demonstranten
gefüllte City, wo wir an einer Oppositionsveranstaltung
vorbeikamen. Wir schlenderten recht uninteressiert an der Demo vorbei
und setzten uns in eine nahe gelegene Pizzeria. Nach kurzer Zeit
bemerkten wir, dass Virus fehlt. Als nach ein paar Minuten das ORF-Team
zu uns in die Pizzeria kam, meinten sie, dass wir den Höhepunkt
der Fahrt bereits versäumt hätten, da Virus soeben vor
laufenden Kameras eine legendäre Rede an die ukrainische Nation
hielt. Unbestätigten Gerüchten zufolge soll der jetzige
ukrainische Ministerpräsident Juschtschenko unseren Virus bereits
den Posten als Propagandaminister angeboten haben.
Nachdem wir uns etwa zwei Stunden lang in der Pizzeria gestärkt
hatten, begaben wir uns auf den Weg zurück auf die
Hauptstraße, auf der wir plötzlich von 30 Hooligans ohne
jegliche Vorwarnung brutal angriffen wurden. Wir waren nur sechs Fans
und der Kameramann, denn die zwei anderen ORF-Leute waren gerade erst
dabei das Lokal zu verlassen und hatten so großes Glück,
dass sie nicht ebenfalls angegriffen wurden. Der Angriff dauerte ca.
zwei Minuten und wir versuchten mit allen Mitteln unsere Rucksäcke
und die Transparente zu verteidigen. Aber bei dieser klaren
Unterlegenheit hatten selbst wir auf Dauer keine Chance. Nachdem der
Mob das Transparent erkämpfte, liefen sie sofort davon. Zu zweit
machten wir uns auf die Verfolgung und holten auch noch zwei Hooligans,
die sich bereits in Sicherheit wiegten ein und boxten sie sofort um.
Jetzt stellte sich wieder eine kleine Gruppe von etwa sieben Hools.
Diese waren ziemlich überrascht dass wir sie verfolgten aber da
keiner von denen das Transparent hatte, ergab es keinen Sinn zu zweit
anzugreifen und auf meine Frage: “Why do you fight – we
have nothing done“ bekamen wir nur die Antwort:
„Internet-Provokation!“
Das Ergebnis dieser recht unfairen Konfrontation: Eine schwer
beschädigte Filmkamera (dadurch auch keine Filmaufnahmen von der
Schlägerei), ein gestohlener Rucksack voll mit österr. Bier
und ein gestohlenes Transparent. Das zweite Transparent und alle
anderen Taschen und Rucksäcke konnten verteidigt werden.
Unter anderem erlitten wir bei diesem Kampf diverse kleinere und
größere Cuts, wie aufgeplatzte Lippen , eine schwere
Jochbeinprellung sowie eine größere Rissquetschwunde, die
aber kurz darauf im Spielerhotel vom Austria-Masseur und vom
Austria-Arzt Dr. Kmen fachmännisch versorgt wurde. (Nochmals
herzlichen Dank an das medizinische Team der Austria für die
Erstversorgung!)
Durch diesen Zwischenfall sieht man wieder, wie weit der
Internet-Fanatismus gehen kann. Nicht nur in Österreich sitzen
jede Menge Internet-Fans und Internet-Hools, die nichts Besseres zu tun
haben, als puren Schwachsinn in diverse Gästebücher oder
Foren zu schreiben, ohne jemals bei irgendeinem internationalen Match
live dabei gewesen zu sein. Diese Leute kennen die dritte Halbzeit
sowieso nur aus dem Internet, denn zu Hause vor dem Computer auf der
Wohnzimmercouch kann einem in der Anonymität ja nichts passieren.
Denn echte Leute aus der Szene brauchen kein Internet um ihr Ego zu
stärken, sondern stellen vor Ort ihren Mann für ihren
Verein!
Hätte ich jetzt fast vergessen, Fußball wurde an diesem
saukalten Abend bei minus 10 Grad auch noch gespielt. Die Mannschaft
aus Dnjepropetrovsk war an diesem Abend ziemlich schwach, zum Entsetzen
der mitgereisten Austria-Fans (wieder einmal nur Bulldogs,
Atzgersdorfer und ein paar vom Fanclub 80) war unsere lustlose
Millionentruppe noch um einiges schwächer und so verloren wir
dieses Match nicht unverdient mit 1:0.
Nach dem Spiel erlebten wir aber die größte Frechheit der
ganzen Reise, denn kein einziger Austria-Spieler fand es der Mühe
wert zu unserem Sektor zu kommen oder auch uns nur eines Blickes zu
würdigen. Über 2000km nach Dnjepropetrovsk und wieder 2000km
retour und das war der Dank! (Die Atzgersdorfer waren alleine 6 Tage
mit ihrem Bus durch den ukrainischen Winter unterwegs, wir schafften es
mit Hilfe der Eisenbahn in knapp 4 Tagen.)
Zum Abschluss noch einen guten Tipp an die teilweise minder bemittelten
Internet-Fans(Hools): Wenn ihr keine Ahnung vom internationalen
Fußballgeschäft habt, lasst die Finger davon und
schaut´s euch zur Befriedigung ein paar Porno-Seiten an!
WIR LASSEN UNS NICHT UNTERKRIEGEN!
UEFA Gruppenphase | 3. Runde
´Dnepr Dnjepropetrovsk - Austria Wien 1:0 (1:0)
Stadion: Meteor Stadion
Dnjepropetrovsk, Ukraine 25. November 2004 18:45 Uhr
Schiedsrichter: Krzysztof Slupik (Polen)
Zuschauer: 17.000
Torschütze:
19. Minute Nasarenko
Startaufstellung:
Nr. Name Ab Bis
1 Joey Didulica 0 90
2 Rabiu Afolabi 0 90
4 Mikael Antonsson 0 90
3 Fernando Ariel Troyansky 0 90
18 Florian Metz 0 67
11 Stepan Vachousek 0 90
7 Libor Sionko 0 90
15 Jocelyn Blanchard 0 90
5 Sasa Papac 0 90
19 Radoslaw Gilewicz 0 64
9 Ivica Vastic 0 90
Einwechslungen:
Nr. Eingewechselt Ausgewechselt Ab Bis
22 Tosin Dosunmu Radoslaw Gilewicz 64 90
10 Vladimir Janocko Florian Metz 67 90